Arbeitsplatz Bühne
Resümee und Visionen

Resümee
| download pdf

Theaterschaffende sind mobil, sie wechseln ihre Arbeitsplätze und damit auch ihre Wohnsitze, sie ziehen von Deutschland nach Österreich und dann in die Schweiz (die Reihenfolge ist beliebig), sie leben von relativ wenig Geld, dafür aber von der Hand in den Mund, weil sie oft nur sehr kurzfristige Arbeitsverträge erhalten. Wenn sie Arbeit haben, arbeiten sie mehr Stunden als jeder Manager, haben weder Wochenende noch Feiertag und sind dankbar, dass sie arbeiten dürfen. Sie kennen weder einen Vor- noch einen Ruhestand und das ist auch gut, denn sie bekommen meist keine Pension, von der sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

Sie sind bereit, ihre persönlichen Bedürfnisse zumindest für die Wochen der Probenzeit vollkommen den Notwendigkeiten der Produktion anzupassen, in der sie "grade drin sind" und daneben auch mit 60 noch Russisch zu lernen, wenn das für ein Stück notwendig ist.

Und alles, was sie dafür wollen, ist - neben einer Gage, die selten so hoch ist, wie sie es verdienen würden: Anerkennung, Wertschätzung, Achtung und Beachtung.

Das allerdings sind Schlüsselbegriffe der Konfliktbearbeitungsmethode Mediation und leider keine Schlüsselbegriffe der herrschenden Theaterleitungspraxis.
Denn Führen und Konfliktmanagement will gelernt sein, aber das wird derzeit an den in Österreich in Frage kommenden staatlichen Ausbildungsstätten, das sind die Abteilungen Schauspiel und Regie an den drei Universitäten für Musik und darstellende Kunst, nicht gelehrt.

Schauspieler und Schauspielerinnen müssen über viele "skills" verfügen, um ihren Beruf gerecht zu werden. Neben den Berufsvoraussetzungen Talent, Phantasie und Kreativität und einer entsprechenden Ausbildung sind das Teamfähigkeit, Mobilität, Flexibilität, Kommunikationsstärke etc.

Regisseure und Regisseurinnen, Intendanten und Intendantinnen verfügen aber neben der Fähigkeit, selbst künstlerisch zu arbeiten, in der Regel nicht über jene "skills", die sie bräuchten, um zu führen und zu leiten. Und lehnen den professionellen Zugang zu Organisationsentwicklung, Personalführung und Konfliktmanagement als dem Theater vom Wesen her nicht entsprechend ab.

Dabei unterliegen sie hier einem grundlegenden Irrtum:
Nicht alle Konflikte innerhalb des künstlerischen Bereichs am Theater sind künstlerisch motiviert und damit unlösbar. Die vorliegende Untersuchung beweist, dass viele Konfliktparteien künstlerische Motive vorschieben, um damit nicht künstlerische persönliche Interessen zu kaschieren. Diese vorgeschoben künstlerisch motivierten Konflikte sind aber wie Konflikte in allen anderen Organisationen potentiell lösbar und müssen auch gelöst werden.

Denn die Vorstellung, alle Konflikte seien künstlerisch motivierte Konflikte und damit per se unlösbar, führt dazu, dass Schauspieler und Schauspielerinnen im Konfliktfall mit ihrem Konflikt alleine gelassen werden und oft keinen anderen Ausweg aus diesem Konflikt sehen, als zu gehen (in eine Krankheit hinein - oft in Form einer Suchterkrankung - oder aus dem Vertrag heraus). Wenn sie bleiben und versuchen, sich in dieser konfliktreichen Situation zu arrangieren, kommen meist so genannte "Unglücksproduktionen" heraus, die selten gespielt und vorzeitig wieder vom Spielplan genommen werden.

Beides ist meist mit zusätzlichen Kosten für das Theater und damit für den Subventionsgeber, die öffentliche Hand, verbunden.

Für die Psyche der betroffenen Schauspieler und Schauspielerinnen und damit für ihre Arbeitsfähigkeit ist beides katastrophal. Dies ist umso tragischer, als gerade der öffentlichen Hand kaum eine andere Berufsausbildung so teuer kommt wie eine Schauspielausbildung und kaum ein anderer Berufsstand später über eine so hohe Erwerbslosenquote verfügt.

Visionen

Obwohl ein österreichischer Bundeskanzler einmal meinte, wer Visionen hat, braucht einen Arzt, scheint die Vision eines Theaterbetriebs mit modernem Konfliktmanagement und psychohygienischem Angebot auch aus ökonomischen Gründen sehr sinnvoll.

Daher wird als greifbares Ergebnis der vorliegenden Arbeit, ausgehend von den Anregungen der befragten Schauspieler und Schauspielerinnen ein Maßnahmenkatalog zur Qualitätssteigerung der Arbeitsvoraussetzungen am Theater präsentiert:
Erweiterung des Ausbildungsangebots im Bereich Schauspiel und Regie um Module wie Selbstmanagement, -vermarktung, Teamführung, Personalentwicklung und Konfliktmanagement
Fort- und Weiterbildungsangebote für Theaterschaffende in Leitungsfunktionen (Regie, Oberspielleitung, Intendanz)
Etablierung und Anwendung von Mediation, Coaching und Supervision am Theater
Einrichtung einer externen neutralen Stelle, an die sich Schauspielerinnen und Schauspieler im Konfliktfall wenden können
Koppelung der Subventionsvergabe an Theater(produktionen) mit "Konfliktschecks", die jedem Schauspieler, jeder Schauspielerin bei Vertragsabschluss zur Verfügung gestellt werden, damit sie die oben genannten Einrichtungen in Anspruch nehmen können. So wäre sowohl Neutralität als auch Anonymität gewährleistet.

Wenn die Kulturpolitik sich diesen Vorschlägen öffnet, bedeutet das eine psychohygienische Bereicherung für die Theaterwelt, die sich letztendlich auch finanziell vorteilhaft für die öffentliche Hand auswirken wird.

Wenn Sie mehr über die Untersuchung ARBEITSPLATZ BÜHNE wissen wollen, dann kontaktieren Sie mich bitte: waltraud.bartonchello.at